Gustav:

Um 1969 im Rahmen meiner landwirtschaftlichen Lehre den Meistertitel zu erreichen, wollte ich statt zuhause im eigenen Betrieb, ein Jahr lang in einem Auslandsbetrieb arbeiten. Ich hatte bis dahin aber keine Fremdsprache gelernt (damals gab es an der Hauptschule noch keinen Englischunterricht). Sollte ich nach Spanien gehen und also spanisch lernen oder lieber nach Frankreich, also französich lernen? Oder lieber doch englisch, oder niederländisch?

Der Bäckermeister Karl Schäch wusste eine einfache Lösung: Lerne Esperanto und setze einfach eine Annonce in die Esperanto-Zeitung, dass du eine Lehrstelle auf einem landwirtschaftlichen Betrieb suchst, der Esperanto als Betriebs-Sprache verwendet. Auf meine Annonce hin meldeten sich 14 Betriebe aus verschiedensten Ländern, die mich einluden, bei ihnen mein Praktikum zu machen. Ich lernte sehr schnell Esperanto. Jeden Tag schrieb ich mir 10 Wörter, die ich lernen wollte, auf einen Zettel und steckte ihn in meine Hosentasche. Mehrmals im Lauf des Tages nahm ich den Zettel in die Hand und versuchte, mich an die Esperanto-Wörter und ihre Bedeutung zu erinnern. Einmal pro Woche nahm ich am Esperanto-Kurs in Pfaffenhofen teil.

1975-08-Gustav Neumair,mit Esperantisten1

Ich (Bildmitte) mit Esperantofreunden aus meiner Jugendzeit

Leider konnte ich mein Praktikum im Ausland nie antreten, denn mein Vater brauchte mich nach seinem schweren Unfall für die Arbeit zuhause und später habe ich auf Bankkaufmann umgeschult. Aber mit Esperanto und der Esperanto-Jugend hat sich mir trotzdem die Tür zur Welt geöffnet.  Ich war aktiv dabei, bis Familie und Beruf keine Zeit mehr dafür ließen.

Später habe ich über die VHS Englisch gelernt. Fünf Jahre lang habe ich mich bemüht und wöchentlich die Kurse besucht. Ich hatte eine hervorragende Lehrerin. Trotzdem kam ich nie auf das Niveau, das ich mit Esperanto schon nach einem Jahr erreicht hatte.

Seit ich in Rente bin, kann ich endlich wieder mehr Zeit auf Esperanto verwenden. Meine Frau macht auch mit. Wir besuchen wieder Kongresse und Treffen und ich habe mich fortgebildet zum Esperanto-Lehrer. Ich hoffe, dass Zamenhofs wundervolle Idee immer mehr verbreitet wird. Esperanto als gemeinsame Zweitsprache wäre eine gute Lösung für das europäische Sprachenproblem.